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2. Jetzt oder nie: Dein eigener Staat in 30 Tagen

  • Autorenbild: Mike Miller
    Mike Miller
  • vor 5 Tagen
  • 13 Min. Lesezeit

Eine radikale Schritt-für-Schritt-Anleitung für Visionäre, Aussteiger und Freiheitsliebende

📘 Kapitel 5: 

Staatenuntergang und Transformation – Staatennachfolge


🏛️ Was passiert, wenn ein Staat verschwindet?

Staaten sind keine Naturgesetze – sie entstehen, verändern sich und können untergehen. Wenn ein Staat aufhört zu existieren oder sich grundlegend wandelt, spricht man im Völkerrecht von Staatennachfolge. Dabei geht es um die Frage: Was passiert mit den Rechten, Pflichten, Verträgen, Vermögenswerten und Schulden des alten Staates?



🔄 Formen des Staatenuntergangs und der Transformation

🧨 Dismembration – Der Zerfall

Ein Staat zerfällt vollständig in mehrere neue Staaten. Der ursprüngliche Staat hört auf zu existieren.

Beispiel

Beschreibung

Sowjetunion (1991)

Zerfall in 15 Nachfolgestaaten; Russland übernahm UN-Sitz

Tschechoslowakei (1993)

Aufteilung in Tschechien und Slowakei – beide neue Staaten

⚠️ Bei Dismembration entsteht kein „Reststaat“ – alle Nachfolger sind neue Völkerrechtssubjekte.




🔗 Fusion – Der Zusammenschluss

Zwei oder mehr Staaten schließen sich zu einem neuen Staat zusammen. Die alten Staaten verlieren ihre völkerrechtliche Identität.

Beispiel

Beschreibung

Tansania (1964)

Zusammenschluss von Tanganjika und Sansibar

Jemen (1990)

Vereinigung von Nord- und Südjemen

🧠 Fusion ist selten – sie erfordert politische Einigkeit und rechtliche Neugestaltung.



🧭 Inkorporation – Die Eingliederung

Ein Staat tritt einem bestehenden Staat bei und verliert seine eigene völkerrechtliche Identität. Der aufnehmende Staat bleibt bestehen.

Beispiel

Beschreibung

DDR → BRD (1990)

Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland – keine Neugründung

Österreich → Deutsches Reich (1938)

Völkerrechtswidrige Inkorporation durch Annexion

📌 Inkorporation ist rechtlich zulässig, wenn freiwillig und vertraglich geregelt – sonst völkerrechtswidrig.




⚖️ Rechtliche Konsequenzen der Staatennachfolge

📜 Verträge

Vertragstyp

Übergang bei Nachfolge?

Gebietsbezogene Verträge

Ja – automatisch (z. B. Grenzverträge)

Persönliche Verträge

Nein – müssen neu verhandelt werden

Multilaterale Verträge

Umstritten – oft „Clean Slate“-Prinzip

🧠 Ehemalige Kolonien berufen sich oft auf das Tabula-Rasa-Prinzip – keine automatische Vertragsübernahme.



💰 Vermögen und Archive

  • Staatsvermögen wird meist proportional aufgeteilt

  • Archive werden übergeben, wenn sie für die Verwaltung relevant sind

  • Sonderregelungen bei Kulturgütern und strategischen Ressourcen




💸 Staatsschulden

  • Grundsatz: Schulden gehen anteilig auf Nachfolgestaaten über

  • Ausnahme: „Dettes odieuses“ – Schulden, die zur Unterdrückung dienten, müssen nicht übernommen werden

Beispiel

Bewertung

Irak (2003)

Schulden aus Saddam-Ära teilweise nicht übernommen

Jugoslawien (1990er)

Komplexe Aufteilung unter Nachfolgestaaten



📘 Wiener Konventionen zur Staatennachfolge

Konvention

Inhalt

Status

WK über Verträge (1978)

Regeln zur Vertragsübernahme

Geringe Ratifikation (23 Staaten)

WK über Vermögen, Archive, Schulden (1983)

Regeln zur Aufteilung staatlicher Ressourcen

Nicht in Kraft getreten

⚠️ In der Praxis werden Nachfolgefragen meist bilateral geregelt – die Konventionen bieten nur einen Rahmen.




✅ Fazit: Staaten kommen und gehen – aber ihre Pflichten bleiben

Bereich

Regelung im Völkerrecht

Praxis / Besonderheiten

Verträge

Clean Slate vs. automatischer Übergang

Politisch motivierte Auswahl oft üblich

Vermögen

Proportionale Aufteilung

Streitpunkt bei Ressourcen und Kulturgütern

Schulden

Übernahme oder Ablehnung

„Odious debts“ als moralisches Argument

Identität

Neu vs. fortbestehend

Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR

Wer einen neuen Staat gründet, muss nicht nur die Zukunft gestalten – sondern auch die Vergangenheit rechtlich aufarbeiten.





🌐 Teil IV: 

Sondergebiete und neue Herausforderungen im Völkerrecht




📘 Kapitel 6: 

Die Hohe See – Freiheit und Verantwortung

Die Hohe See ist das größte zusammenhängende Gebiet der Erde – und gehört niemandem. Sie ist ein globales Gemeingut, das allen Staaten offensteht, aber auch gemeinsame Verantwortung verlangt. Ihr rechtlicher Rahmen ist im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) geregelt – der „Verfassung der Meere“.



🌊 UNCLOS – Die rechtliche Ordnung der Meere

Das Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) von 1982 trat 1994 in Kraft und wurde von über 160 Staaten ratifiziert. Es regelt:

  • Die Abgrenzung maritimer Zonen

  • Die Rechte und Pflichten von Küsten- und Binnenstaaten

  • Den Schutz der Meeresumwelt

  • Die Nutzung von Ressourcen auf und unter dem Meeresboden


📍 Maritime Zonen nach UNCLOS

Zone

Ausdehnung ab Küstenlinie

Rechte des Küstenstaats

Küstenmeer

bis 12 Seemeilen

Volle Souveränität

Anschlusszone

bis 24 Seemeilen

Kontrolle über Zoll, Einwanderung, Gesundheit

Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)

bis 200 Seemeilen

Exklusive Rechte auf Ressourcen

Kontinentalsockel

bis zu 350 Seemeilen

Rechte auf Meeresbodenressourcen

Hohe See

jenseits der AWZ

Gemeingut – Freiheit für alle Staaten

🧭 Die Hohe See beginnt dort, wo nationale Hoheitsrechte enden – und globale Verantwortung beginnt.



🐟 Rechte und Pflichten auf der Hohen See

UNCLOS garantiert bestimmte Freiheiten – aber auch Pflichten:

✅ Freiheiten

  • Schifffahrt

  • Überflug

  • Verlegung von Unterseekabeln und -rohrleitungen

  • Bau künstlicher Inseln

  • Fischerei

  • Wissenschaftliche Forschung


⚠️ Pflichten

  • Schutz der Meeresumwelt

  • Bekämpfung von Piraterie

  • Kontrolle über Schiffe unter eigener Flagge

  • Zusammenarbeit bei Rettung und Sicherheit

📌 Staaten müssen sicherstellen, dass ihre Schiffe sich an internationale Regeln halten – auch auf der Hohen See.



🌱 Umweltschutz auf der Hohen See

Die Meeresumwelt ist empfindlich – und durch Überfischung, Verschmutzung und Klimawandel bedroht. UNCLOS verpflichtet alle Staaten zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung.


🧼 Ergänzende Abkommen

Abkommen

Inhalt

MARPOL

Verbot der Verschmutzung durch Schiffe

London Convention

Verbot der Abfallverbringung ins Meer

BBNJ-Abkommen (2023)

Schutz der Biodiversität jenseits nationaler Gerichtsbarkeit

🧠 Die Hohe See ist kein rechtsfreier Raum – sondern ein ökologisches Verantwortungssystem.




⛏️ Fischerei und Meeresbodenressourcen

🐠 Fischerei

  • Erlaubt für alle Staaten

  • Muss nachhaltig und regelkonform erfolgen

  • Regionale Fischereiabkommen regeln Fangquoten und Schutzmaßnahmen


🪨 Meeresboden

  • Der Meeresboden jenseits nationaler Zonen gilt als „gemeinsames Erbe der Menschheit“

  • Verwaltet durch die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA)

  • Regelt Tiefseebergbau, Lizenzvergabe und Umweltschutz

⚖️ Staaten dürfen nicht einfach Rohstoffe ausbeuten – sie müssen globale Regeln beachten.




✅ Fazit: Die Hohe See ist frei – aber nicht regellos

Bereich

Rechte / Freiheiten

Pflichten / Einschränkungen

Schifffahrt

Frei für alle Staaten

Einhaltung von Sicherheits- und Umweltstandards

Fischerei

Erlaubt, aber reguliert

Nachhaltigkeit, Schutz gefährdeter Arten

Forschung

Offen, aber meldepflichtig

Kooperation, Umweltschutz

Meeresboden

Nutzung durch Lizenzvergabe

ISA-Kontrolle, Schutz der Tiefseeökosysteme

Wer einen Staat gründen oder maritime Ansprüche geltend machen will, muss UNCLOS kennen – und respektieren. Denn auf der Hohen See zählt nicht Macht, sondern Recht.




📘 Kapitel 7: 

Weltraumrecht – Die letzte Grenze des Völkerrechts


🚀 Der Weltraum: 

grenzenlos, aber nicht rechtsfrei

Der Weltraum ist kein rechtsfreier Raum. Seit dem Beginn der Raumfahrt regelt das Völkerrecht, was Staaten dort dürfen – und was nicht. Der zentrale Vertrag ist der Weltraumvertrag von 1967, auch bekannt als „Magna Charta des Weltraumrechts“.




📜 Weltraumvertrag 1967 – Grundprinzipien

Der „Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper“ trat 1967 in Kraft und wurde von über 110 Staaten ratifiziert.


🔑 Kernprinzipien

Prinzip

Bedeutung

Weltraumfreiheit

Der Weltraum steht allen Staaten offen – keine Exklusivrechte

Aneignungsverbot

Kein Staat darf sich Teile des Weltraums oder Himmelskörper aneignen

Friedliche Nutzung

Der Weltraum ist friedlichen Zwecken vorbehalten

Staatliche Verantwortung

Staaten haften für alle Aktivitäten – auch privater Akteure

Internationale Kooperation

Staaten sollen bei Notfällen helfen und Informationen austauschen

🧠 Der Weltraumvertrag ist ein Kooperationsvertrag – kein Besitzrecht.




⚖️ Haftung und Registrierung

💥 Haftung

  • Staaten haften unbegrenzt für Schäden durch ihre Weltraumobjekte

  • Gilt für Schäden auf der Erde, im Luftraum und im Weltraum

  • Beispiel: Kosmos 954 (1978) – sowjetischer Satellit stürzt über Kanada ab → Entschädigung


🛰️ Registrierung

  • Staaten müssen ihre Weltraumobjekte registrieren

  • Geregelt im Weltraumregistrierungsübereinkommen (1975)

  • Ziel: Transparenz, Identifizierbarkeit, Verantwortlichkeit

📌 Wer startet, haftet – und muss melden.



⛏️ Weltraumbergbau – Eigentum im luftleeren Raum?

Der Weltraumvertrag verbietet die Aneignung von Himmelskörpern – aber nicht ausdrücklich den Abbau von Ressourcen. Das führt zu rechtlichen Grauzonen.


🪨 Aktuelle Entwicklungen

Staat / Gesetz

Inhalt

USA (2015)

Space Act erlaubt privaten Besitz von abgebauten Ressourcen

Luxemburg (2017)

Gesetz zur Förderung von Weltraumbergbau

Völkerrechtliche Bewertung

Umstritten – widerspricht dem Aneignungsverbot laut Vertrag

⚠️ Eigentum an Ressourcen ≠ Eigentum am Himmelskörper – aber die Grenze ist fließend.



🧹 Weltraummüll und STM – Ordnung im Orbit

🧼 Weltraummüll

  • Über 30.000 Objekte im Orbit – viele davon funktionslos

  • Gefahr für Satelliten, Raumstationen und Missionen

  • Keine verbindlichen Regeln zur Müllvermeidung oder -beseitigung


📡 STM (Space Traffic Management)

  • Konzept zur Regelung des Weltraumverkehrs

  • Ziel: Sicherheit, Koordination, Kollisionsvermeidung

  • Noch keine völkerrechtlich verbindlichen Standards

🧠 Der Orbit wird zur Autobahn – aber ohne Verkehrsregeln.



🎯 Dual-Use-Problematik – Zivil oder militärisch?

Fast alle Weltraumtechnologien haben ein „Dual-Use“-Potenzial – sie können sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden.


⚔️ Beispiele

  • GPS: Navigation für Zivilisten und Militär

  • Satelliten: Kommunikation, Aufklärung, Zielerfassung

  • Laser- und Antisatellitenwaffen: potenzielle Bedrohung

📌 Der Weltraumvertrag verbietet Waffen im Orbit – aber nicht alle militärischen Aktivitäten.




✅ Fazit: Der Weltraum ist offen – aber nicht unreguliert

Bereich

Rechte / Freiheiten

Pflichten / Einschränkungen

Nutzung

Offen für alle Staaten

Friedlich, kooperativ, transparent

Haftung

Unbegrenzte Staatshaftung

Registrierungspflicht, Schadensersatz

Ressourcen

Abbau möglich, Eigentum umstritten

Keine Aneignung von Himmelskörpern

Müll / Verkehr

Keine verbindlichen Regeln

Diskussion über STM und Müllvermeidung

Militärische Nutzung

Dual-Use erlaubt, Waffen verboten

Keine Rüstungskontrolle im Weltraum

Wer einen Staat gründet – oder eine Raumstation – muss das Weltraumrecht kennen. Denn auch jenseits der Atmosphäre gilt: Recht vor Macht.




📘 Kapitel 8: 

Polarregionen – Arktis und Antarktis: Unterschiedliche Rechtsregime


❄️ Die Pole: 

Gemeinsam kalt, rechtlich grundverschieden

Die Arktis und die Antarktis sind zwei der letzten großen Wildnisse der Erde – und zugleich geopolitisch hochrelevant. Doch während die Antarktis durch ein internationales Vertragsregime befriedet ist, wird die Arktis zunehmend zum Schauplatz strategischer Interessen.




🧊 Antarktis – Ein Kontinent für Frieden und Wissenschaft

Die Antarktis ist ein eisbedeckter Kontinent ohne permanente Bevölkerung. Ihr rechtlicher Status wird durch das Antarktisvertragssystem geregelt.


📜 Der Antarktisvertrag (1961)

Prinzip

Bedeutung

Friedliche Nutzung

Militärische Aktivitäten sind verboten

Wissenschaftliche Freiheit

Forschung ist erlaubt und soll koordiniert werden

Territorialansprüche

Bestehende Ansprüche werden „eingefroren“, neue sind ausgeschlossen

Umweltschutz

Strenge Regeln durch das Umweltschutzprotokoll (1994)

📌 Die Antarktis ist ein Modell für internationale Kooperation – und ein Schutzgebiet für die Wissenschaft.


🌱 Umweltschutzprotokoll

  • Verbot von Schweröltransport

  • Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung

  • Schutz sensibler Ökosysteme und Arten

🧠 Die Antarktis ist kein rechtsfreier Raum – sondern ein ökologisch reguliertes Sondergebiet.




🧭 Arktis – Schmelzendes Eis, steigende Interessen

Die Arktis ist kein Kontinent, sondern ein Ozean, der von acht Staaten umgeben ist. Ihr rechtlicher Rahmen basiert auf UNCLOS und regionaler Kooperation.


📘 UNCLOS in der Arktis

  • Küstenstaaten haben AWZ und Kontinentalsockelrechte

  • Staaten können Ansprüche auf erweiterten Meeresboden geltend machen

  • Internationale Schifffahrt bleibt erlaubt – z. B. Nordostpassage

⚠️ Der Klimawandel macht die Arktis zugänglich – und geopolitisch umkämpft.


🧑‍🤝‍🧑 Der Arktische Rat (1996)

Mitgliedstaaten

Funktion

Kanada, Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Russland, Schweden, USA

Forum für nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz

Beobachterstaaten

z. B. Deutschland, China, Indien

Indigene Organisationen

Mitwirkungsrecht bei Entscheidungen

📌 Der Arktische Rat ist kein völkerrechtliches Organ – aber ein wichtiges Koordinationsforum.




🛢️ Ressourcen und Schifffahrtsrouten

🪨 Ressourcen

  • Öl, Gas, seltene Erden unter dem Meeresboden

  • Fischbestände in sich verändernden Ökosystemen

  • UNCLOS regelt die Nutzung – aber Konflikte sind programmiert


🚢 Schifffahrtsrouten

  • Nordostpassage und Nordwestpassage werden eisfrei

  • Strategisch relevant für Handel und Militär

  • Internationale Regeln zur Sicherheit und Umweltschutz notwendig

⚠️ Die Arktis ist keine Antarktis – hier gelten nationale Ansprüche und wirtschaftliche Interessen.



✅ Fazit: Zwei Pole – zwei Welten

Region

Rechtsregime

Nutzung / Konfliktpotenzial

Antarktis

Antarktisvertrag + Umweltschutzprotokoll

Friedlich, wissenschaftlich, kooperativ

Arktis

UNCLOS + Arktischer Rat

Ressourcenorientiert, strategisch umkämpft

Wer einen Staat gründen oder polare Ansprüche geltend machen will, muss die Unterschiede kennen – und die Regeln respektieren. Denn am Ende zählt nicht, wer am lautesten beansprucht, sondern wer völkerrechtlich sauber handelt.




📘 Kapitel 9: 

Internationale Wasserstraßen – Flüsse, Kanäle und Meerengen


🌊 Wasserstraßen: 

Lebensadern der Welt

Internationale Wasserstraßen sind von zentraler Bedeutung für Handel, Verkehr und Ressourcenmanagement. Sie verbinden Staaten, durchqueren Grenzen und erfordern völkerrechtliche Regelungen, die Souveränität und Kooperation in Einklang bringen.




🏞️ 9.1 Internationale Flüsse – Gerechte Nutzung und Kooperation

Viele Flüsse durchqueren mehrere Staaten – und stellen damit eine gemeinsame Ressource dar. Das Völkerrecht regelt ihre Nutzung unter dem Prinzip der „gerechten und angemessenen Nutzung“.


⚖️ Grundprinzipien

Prinzip

Bedeutung

Gerechte Nutzung

Alle Anrainerstaaten haben ein Nutzungsrecht – proportional und fair

Vermeidung erheblicher Beeinträchtigung

Staaten dürfen andere nicht unangemessen benachteiligen

Informationspflicht

Staaten müssen über geplante Maßnahmen informieren

🧑‍🔬 Flusskommissionen

  • Institutionen zur technischen und politischen Koordination

  • Beispiel: Mekong-Flusskommission, Donaukommission

  • Ziel: Konfliktvermeidung, nachhaltige Nutzung, Datenmanagement

📌 Flüsse sind keine Einbahnstraßen – sondern multilaterale Systeme.



🚢 9.2 Internationale Kanäle – Künstliche Verbindungen mit globaler Bedeutung

Künstliche Wasserstraßen wie der Suezkanal, der Panamakanal und der Nord-Ostsee-Kanal sind strategisch unverzichtbar – und völkerrechtlich besonders geregelt.


🌍 Suezkanal

  • Konvention von Konstantinopel (1888): Freier Transit für alle Schiffe

  • Ägypten darf Durchfahrt aus Verteidigungsgründen verweigern

  • Nationalisiert 1956 – Auslöser der Suezkrise


🌎 Panamakanal

  • Ursprünglich unter US-Kontrolle (1903–1999)

  • Torrijos-Carter-Verträge (1977): Übergabe an Panama, Neutralitätsgarantie

  • Heute unter panamaischer Verwaltung


🇩🇪 Nord-Ostsee-Kanal (Kiel-Kanal)

  • Meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt

  • Artikel 380 Versailler Vertrag: Offen für alle friedlichen Nationen

  • Unter deutscher Verwaltung, aber internationalisiert

🧠 Kanäle sind nationale Infrastruktur mit internationaler Verantwortung.




🌐 9.3 Meerengen – Transitdurchfahrt und Souveränität

Meerengen verbinden zwei Teile der Hohen See oder AWZ und sind für die internationale Schifffahrt unverzichtbar. UNCLOS regelt ihre Nutzung durch das Recht der Transitdurchfahrt.


🚢 Transitdurchfahrt (UNCLOS Art. 38)

Merkmal

Bedeutung

Ununterbrochener Transit

Schiffe und Flugzeuge dürfen ohne Verzögerung passieren

Kein Genehmigungsvorbehalt

Staaten dürfen die Durchfahrt nicht verweigern

Sicherheitsmaßnahmen

Küstenstaaten dürfen Regeln zur Sicherheit und Umweltschutz erlassen

🧭 Beispiele für Meerengen

Meerenge

Bedeutung

Straße von Hormuz

Verbindung zwischen Persischem Golf und Arabischem Meer

Bosporus und Dardanellen

Zugang zum Schwarzen Meer

Straße von Gibraltar

Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer

⚠️ Meerengen sind völkerrechtlich sensible Zonen – zwischen globalem Interesse und nationaler Kontrolle.



✅ Fazit: Wasserstraßen sind Brücken – nicht Grenzen

Typ

Rechtsregime

Besonderheiten / Beispiele

Flüsse

Gerechte Nutzung, Kooperation

Donau, Nil, Mekong

Kanäle

Vertraglich internationalisiert

Suez, Panama, Nord-Ostsee-Kanal

Meerengen

Transitdurchfahrt nach UNCLOS

Hormuz, Gibraltar, Bosporus

Wer einen Staat gründet oder Zugang zu Wasserstraßen hat, muss wissen: Wasser verbindet – aber nur, wenn die Regeln klar sind.




📘 Kapitel 10: 

Exterritorialität und Sonderstatus – Wenn Gebiete „anders“ sind


🧭 Was ist Exterritorialität?

Exterritorialität bezeichnet den rechtlichen Sonderstatus bestimmter Orte, Einrichtungen oder Objekte, bei denen die normale territoriale Hoheitsgewalt eingeschränkt oder ausgesetzt ist. Es geht nicht um „fremdes Territorium“, sondern um funktionale Ausnahmen vom Territorialprinzip.



🏛️ 10.1 Diplomatische Liegenschaften – Immunität, nicht Eigentum

Diplomatische Vertretungen wie Botschaften und Konsulate genießen besonderen Schutz – geregelt durch die Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen (WÜD/WÜK).


📜 Grundprinzipien (WÜD 1961)

Schutzbereich

Bedeutung

Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten

Keine Durchsuchung, Beschlagnahme oder Zutritt ohne Zustimmung

Immunität der Diplomaten

Keine Strafverfolgung durch Gaststaat

Archivschutz

Dokumente sind jederzeit geschützt – auch außerhalb der Botschaft

⚠️ Exterritorialität ist ein Mythos – Botschaften bleiben Teil des Gaststaats, unterliegen aber besonderen Regeln.


🧠 Sonderfälle

  • Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft: Kein Asylrecht, aber Schutz vor Zugriff

  • Diplomatenkinder: Immunität nur bei dienstbezogenem Verhalten



🪖 10.2 Militärstützpunkte – Fremde Truppen, fremdes Recht?

Militärbasen im Ausland unterliegen komplexen Regelungen – meist durch bilaterale Verträge oder multilaterale Abkommen wie das NATO-Truppenstatut.


📘 NATO-Truppenstatut (SOFA)

Regelung

Bedeutung

Jurisdiktion

Gaststaat hat primäre Strafgewalt – Entsendestaat kann Ausnahmen beanspruchen

Steuerfreiheit

Truppen sind von lokalen Steuern befreit

Einfuhrregelungen

Zollfreiheit für militärisches Material

🧰 Host Nation Support (HNS)

  • Unterstützung durch den Gaststaat: Infrastruktur, Logistik, Versorgung

  • Vertraglich geregelt – z. B. durch Stationierungsabkommen

📌 Militärbasen sind keine „Mini-Staaten“ – aber rechtlich abgeschirmt.


🧭 Beispiele

  • Ramstein Air Base (Deutschland): US-Stützpunkt mit Sonderstatus

  • Okinawa (Japan): US-Präsenz mit lokalen Protesten und rechtlichen Spannungen



🧪 10.3 Sonderfälle – Wenn Völkerrecht auf Kurioses trifft

🛢️ Ölplattformen

  • Befinden sich oft außerhalb nationaler Hoheitsgewalt

  • UNCLOS regelt Nutzung, Sicherheit und Umweltschutz

  • Keine Exterritorialität – aber funktionale Sonderregeln


✈️ Flugzeugtoiletten

  • Flugzeuge unterliegen dem Recht des Flaggenstaats

  • Straftaten an Bord gelten als im Hoheitsgebiet des registrierten Staates begangen

  • Beispiel: Geburt oder Mord im Flugzeug → juristische Zuständigkeit nach Registrierung


🏴 Mikronationen

  • Selbsternannte „Staaten“ ohne völkerrechtliche Anerkennung

  • Beispiele:

    • Sealand (Plattform in der Nordsee)

    • Liberland (zwischen Kroatien und Serbien)

    • Molossia (USA, Nevada)

Merkmal

Bewertung

Staatsgebiet

Meist minimal oder symbolisch

Staatsvolk

Familie, Freunde, Online-Community

Staatsgewalt

Dekorativ, nicht effektiv

Internationale Beziehungen

Keine Anerkennung, keine Verträge

🧠 Mikronationen sind kreative Experimente – aber keine Völkerrechtssubjekte.




✅ Fazit: Exterritorialität ist selten – aber faszinierend

Bereich

Rechtsstatus

Besonderheiten / Einschränkungen

Diplomatische Liegenschaften

Immunität, keine Exterritorialität

WÜD, Schutz vor Zugriff

Militärstützpunkte

Vertraglich geregelt, eingeschränkte Jurisdiktion

NATO-SOFA, HNS

Sonderfälle

Funktionale Sonderregeln, keine Staatlichkeit

UNCLOS, Luftrecht, Mikronationen

Wer einen Staat gründen will, kann von Exterritorialität träumen – aber sollte sich auf völkerrechtlich belastbare Grundlagen stützen.




🏴 Übersicht über Mikronationen – Kreative Staaten ohne Anerkennung

Mikronationen sind selbsternannte „Staaten“, die meist aus Protest, Kunst, Satire oder persönlicher Leidenschaft entstehen. Sie erfüllen oft einzelne Kriterien der Staatlichkeit – aber keine wird völkerrechtlich anerkannt.


📊 Vergleich ausgewählter Mikronationen

Name

Gründungsjahr

Standort / Gebiet

Besonderheiten

Völkerrechtlicher Status

Sealand

1967

Offshore-Plattform (Nordsee)

Eigene Flagge, Pässe, Verfassung

Nicht anerkannt

Liberland

2015

Niemandsland (Donau, HR/RS)

Berufung auf terra nullius, libertäre Ideologie

Nicht anerkannt

Molossia

1977

Nevada, USA

Humoristische Monarchie, eigene Währung

Nicht anerkannt

Hutt River

1970–2020

Western Australia

Steuerprotest gegen australische Regierung

Aufgelöst

Ladonia

1996

Südschweden (Naturreservat)

Kunstprojekt mit eigener Regierung

Nicht anerkannt

🧠 Mikronationen sind rechtlich gesehen keine Staaten – aber kulturell und kreativ oft sehr lebendig.



🪖 Beispiel: Aufbau eines Stationierungsabkommens (Host Nation Support)

Ein Stationierungsabkommen regelt die Präsenz ausländischer Streitkräfte auf dem Territorium eines Gaststaates. Es basiert meist auf dem NATO-Truppenstatut (SOFA) und wird durch bilaterale Vereinbarungen ergänzt.


📘 Musterstruktur eines Stationierungsabkommens

STATIONIERUNGSABKOMMEN

zwischen dem Staat X und dem Staat Y


Präambel

- Zweck der Vereinbarung

- Bezugnahme auf bestehende Verträge (z. B. NATO-SOFA)


Artikel 1 – Definitionen

- Begriffe wie „Truppen“, „Einrichtungen“, „Gaststaat“, „Entsendestaat“


Artikel 2 – Zulässige Aktivitäten

- Militärische Übungen, Logistik, Infrastruktur


Artikel 3 – Jurisdiktion

- Strafgewalt: primär Gaststaat, Ausnahmen für Entsendestaat


Artikel 4 – Steuer- und Zollregelungen

- Steuerfreiheit für Truppen, Zollbefreiung für Material


Artikel 5 – Umweltschutz und Sicherheit

- Einhaltung nationaler Standards, Haftung bei Schäden


Artikel 6 – Dauer und Kündigung

- Laufzeit, Verlängerung, Kündigungsmodalitäten


Artikel 7 – Streitbeilegung

- Konsultationsmechanismen, Schiedsverfahren


Unterschriften

- Vertreter beider Staaten


📌 Ein solches Abkommen ist kein Freibrief – sondern ein fein austariertes Regelwerk zwischen Souveränität und Kooperation.



🧰 Starterpaket für Staatsgründer

Wie man einen Staat gründet – klassisch, experimentell oder symbolisch



🧭 1. Grundvoraussetzungen: Was macht einen Staat aus?

Nach der Montevideo-Konvention (1933) braucht ein Staat:

Kriterium

Bedeutung

Staatsgebiet

Ein klar definiertes Territorium mit effektiver Kontrolle

Staatsvolk

Eine dauerhafte Bevölkerung mit rechtlicher Bindung zum Staat

Staatsgewalt

Eine funktionierende Regierung mit Durchsetzungsfähigkeit

Außenbeziehungen

Fähigkeit zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen

📌 Diese Kriterien sind notwendig – aber nicht hinreichend für internationale Anerkennung.




🪪 2. Klassische Wege zur Staatsgründung

🧨 Sezession – Abspaltung von einem bestehenden Staat

  • Nur legitim bei schwersten Menschenrechtsverletzungen (Remedial Secession)

  • Beispiele: Kosovo, Bangladesch

  • Völkerrechtlich umstritten, politisch riskant


📜 Sukzession – Vertragliche Übernahme von Hoheitsrechten

  • Durch bilaterale Vereinbarung oder internationale Vermittlung

  • Beispiele: Südsudan, Tschechoslowakei

  • Rechtlich stabil, aber politisch komplex

⚠️ Beide Wege erfordern diplomatische Verhandlungen und internationale Akzeptanz.



🧪 3. Experimentelle Modelle: Mikronationen & Sondergebiete

🏴 Mikronation gründen

  • Symbolische Staatsgründung mit eigener Flagge, Verfassung, Währung

  • Kein völkerrechtlicher Status, aber kulturelle und mediale Wirkung

  • Beispiele: Sealand, Liberland, Molossia


🧭 Selbstverwaltung oder Sonderstatus

  • Nutzung bestehender rechtlicher Lücken oder Sonderregelungen

  • Beispiele: Autonome Zonen, Freihandelszonen, Exterritoriale Einrichtungen

  • Ziel: faktische Selbstbestimmung ohne formale Staatlichkeit

🧠 Kreativität ersetzt keine Anerkennung – aber kann Aufmerksamkeit erzeugen.




🧨 4. Opportunistische Modelle: Zerfall, Bankrott, Niemandsland

🏚️ Staatsbankrott oder Dismembration nutzen

  • Vorbereitung auf den Zerfall eines Staates (z. B. durch Krieg, Schulden, Auflösung)

  • Beispiel: Sowjetunion → Russland, Ukraine etc.

  • Möglichkeit zur Gründung eines Nachfolgestaats oder zur Gebietskontrolle


🏜️ Niemandsland besetzen

  • Terra nullius ist heute kaum existent – aber es gibt Grenzstreifen ohne klare Hoheit

  • Beispiel: Bir Tawil (zwischen Ägypten und Sudan)

  • Völkerrechtlich fragwürdig, aber symbolisch nutzbar

📌 Wer vorbereitet ist, kann im Moment der Krise handlungsfähig sein.



🪖 5. Sonderrechte nutzen: Stationierungsrecht & Exterritorialität

🛡️ Stationierungsrecht

  • Aufbau eines militärischen oder zivilen Stützpunkts mit Sonderstatus

  • Vertraglich geregelt mit einem bestehenden Staat

  • Beispiel: Ramstein Air Base (USA in Deutschland)


🏛️ Exterritorialität

  • Nutzung diplomatischer Immunität oder funktionaler Sonderzonen

  • Beispiel: Botschaften, Konsulate, internationale Organisationen

  • Kein eigener Staat, aber rechtlich abgeschirmt

🧠 Sonderrechte sind kein Ersatz für Staatlichkeit – aber strategische Werkzeuge.




🧑‍⚖️ 6. Völkerrechtliche Handlungsfähigkeit als Person oder Organisation

👤 Natürliche Person

  • Gründung eines Vereins, einer Stiftung oder NGO mit internationaler Ausrichtung

  • Registrierung bei internationalen Organisationen (z. B. ECOSOC, UN-NGO-Branch)

  • Aufbau diplomatischer Netzwerke und Teilnahme an Konferenzen


🏢 Organisation

  • Nutzung von Soft Power: Kultur, Wissenschaft, Umweltschutz

  • Aufbau eines „Quasi-Staats“ mit Verwaltung, Symbolik und Öffentlichkeit

  • Beispiel: virtuelle Staaten, digitale Nationen, Blockchain-basierte Governance

📌 Handlungsfähigkeit entsteht durch Sichtbarkeit, Struktur und rechtliche Klarheit.



✅ Schritt-für-Schritt-Plan zur Staatsgründung

1. Konzept entwickeln: Name, Verfassung, Regierung, Bevölkerung2. Territorium sichern: legal, symbolisch oder vertraglich3. Rechtliche Struktur aufbauen: Staatsangehörigkeit, Institutionen, Verwaltung4. Internationale Kommunikation: Website, Diplomatie, Medienpräsenz5. Anerkennung anstreben: bilaterale Gespräche, NGO-Status, UN-Kontakte6. Rechtskonform handeln: Gewaltverzicht, Menschenrechte, Transparenz7. Langfristige Strategie: Nachhaltigkeit, Kooperation, Realismus



Micronation
Mikronationen Bohrinsel

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